Als es endlich losgeht, steigt auch noch der Mond auf. Wir sitzen in der berühmtesten Opern-Arena der Welt, die Sänger marschieren auf, die Bühne strahlt, die Ränge sind voll, die Musik hebt an und dann das Vollmond. Der ist jetzt nicht gestellt. Nun muss es endlich kommen, dieses Gefühl, ist das schön hier!

Denn die Arena von Verona geht man nicht einfach einen Besuch vorbei das nimmt man sich vor. Die Plätze werden rechtzeitig mit der Urlaubsplanung am Gadesee geordert, sonst ist nachher noch alles ausgebucht wie die Hotels mit dem besten Blick. Nimm nicht einfach die billigen Karten. Ich will gut hören sagte ich innerlich. Mal sehen. Hoho, hier kommt die erste Hürde mein lieber. Nicht nur die Preise so hoch auf den guten Plätzen. Es gibt dort auch Stenge Kleidervorschriften.

Auf das Wetter ist nirgends Verlass, wer wüsste das besser als der Berliner Ostersparziergänger. Bei unserer  Ankunft  in Verona fallen kalte Strippen vom Himmel. Die schönen Karten. Natürlich die tauschen sie nicht um wenn es weiter regnet? Dann warten wir, dass es aufhört, erläutert das Fräulein an der Kasse, vielleicht verschieben wir den Beginn um ein, zwei stunden, Geld zurück gibt es nur, wenn die Vorstellung nicht beginnt, kein falls aber, wenn sie anfängt und abgebrochen wird. Eine interessante Aufteilung der Risiken.

Die Regencape Verkäufer vor der Arena verdoppeln heute ihren Jahresumsatz. Aber, oh wunder, rechtzeitig zu Vorstellung um neun Uhr, abends kommt es zur Einhaltung offenbar göttlicher Verträge die Wolken ziehen ab, lassen zögernd Mond und Sterne vor.

Platzanweiserinnen verteilen sparsam Papier von Küchenrollen es schlürft nun all die Pfützen von Sitzen. Die Gäste in ihren Regencapes sehen nicht unglücklich aus. Längst ist uns jede Kleiderordnung egal, wir tragen Pullover unterm Jackett und Regenmantel obendrüber.

Wir sehen Zuschauerinnen mit Riemchenstilettos an nackten Füßen einschweben, in, semitransparenten langen Seidenkleidern und hauchfeinen Spaghettitops mit oder ohne durchsichtige  Plastikcapes.

Überall ist es zu spüren, die wahre Liebe zum Event. Die Liebe zur Oper dagegen sollte man besser schon mitbringen. Ihre Erweckung dürfte hier nicht erfahren. Nicht durch dieses bunte Massenspektakel. Als gewöhnliche Opernbesucherin, sage ich, alles viel zu leise hier, alles zu weit weg. Ich weiß, dass die Akustik hier als sensationell gilt. Das unsere Hörgewohnheiten von lauter Popmusik versaut sind, dass dieses bald 200 Jahre alte Amphitheater in all seiner Pracht und Herrlichkeit in der Mitte von Verona von genialen Baumeitern errichtet wurde. Man hört tatsächlich ohne Verstärker ganz oben im Rang, was ganz unten auf der Bühne erhandelt wird, obwohl 15000 Zuschauer in der Arena wie Schallschlucker hocken.

Carmen wird von der Stimmstärken Bulgarin Nadia Krasteva gegeben, sie trägt einen roten Rock und ein üppiges Dekolleté. Allerdings muss der lasziv-verführerisch Habitus ihrer Figur sehr grob ausfallen. ( Regie, Franco Zeffirelli), um auch auf den entfernteren Plätzen noch wahrnehmbar zu sein. Rudernde Arme machen aber das Erlebnis aber nicht eindrücklicher.

Egal, zum Jubiläum wird diese begeistert aufgenommene Inszenierung nicht gezeigt ,zum 200. Verdi-Geburtstag gibt es andere populäre Opern: Nabucco, La Traviata, Rigoletto, Romeo et Juliette, II Travatore und natürlich Aida.

Die Eröffnungsoper von 1913 mit der damals Verdis 100. Geburtstag gefeiert wurde. Außerdem gehen die Veroneser ein Wagnis ein. Es wird nämlich nicht nur die historische „ Aida“ von 1913 wiederholt, sondern auch eine moderne Variante, inszeniert von den Katalanischen Theaterschockkern La Fura dels Baus- ein für das  Konservative Arena-Publikum revolutionär Entscheidung.

Der Besucher hier kann nicht einfach ein Ticket für eine Gala kaufen und mit den Gedanken an einen leibhaftigen Weltstar anreisen. Nein. Er muss zusätzlich nach eine  Vorstellung am Tag  davor oder danach buchen und zuvor in derselben Preis-Kategorie. Voilà. Hier nämlich ist nicht der billige Augst zu hause, hier nehmen auch  Preise für Stars ihren Anlauf, unter denen nachher die Opernhäuser der Welt ächzen.

Doch egal, das Publikum verlässt die Arena glücklich und zufrieden. Na, ja, besseres Wetter wäre schön gewesen.

Mit dem größten Vergnügen begleite ich sie gerne in solchem Events.

Erlebnisreiche Grüße

Ihre Celine